Ein kleiner Einblick in die “Eisenbahn”-Geschichte

Uber 100 Jahre Familien - Tradition (bekommt man nicht geschenkt)

Heinrich Bulling, am 18. Juli 1853 in Kälbertshausen geboren, war von Beruf Steinhauer. Am 23. Januar 1877 heiratete er die am 24. Februar 1852 geborene, Susanne Elisabeth Arnold, und zog nach Diedesheim. Er fand als „Bureaudiener" bei der Eisenbahn eine Anstellung. Am 1. Juli 1898 hatte das Ehepaar Heinrich und Susanne Bulling sein neu erbautes zweistöckiges Wohnhaus bezogen. Heinrich Bulling, der Urgroßvater des jetzigen Eigentümers „Zur Eisenbahn", glaubte, aufgrund seiner Vermögensverhältnisse und des schon erwähnten neuen Hauses, folgende Bitte an den „wohllöblichen Gemeinderath" von Diedesheim richten zu dürfen.

1889

„Wie dem verehrlichen Gemeinderath" bekannt sein wird, hat „der ergebenst Unterzeichnende", im Laufe dieses Jahres (anno 1898), ein schönes zweistöckiges Wohnhaus erbauet und in allen Theilen praktisch eingerichtet - Schön geeignete Zimmer, Hofraum, mit besonders stehenden Aborten. Dieses Haus möchte „der ergebenst Unterzeichnende" etwas rentabel machen und einem schon längst bestehenden Bedürfnisse nachkommen und darin eine Gastwirtschaft betreiben. Er könnte 1 Wirtschaftszimmer, 1 Nebenzimmer und Stück Fremdenzimmer einrichten. Mein zukünftiger Tochtermann, Georg Leinberger, der die älteste Tochter Lisabetha, genannt Elli Bulling, heiraten würde, wolle noch eine Schlachterei einrichten und so könnte man allen Anforderungen, in billiger Weise, entsprechen und eine weitere Familie hätte ihr Auskommen ohne Jemandem im geringsten zu schaden.

Heinrich Bulling vergaß auch nicht anzufügen, daß eine „mittlere Wirtschaft ein Bedürfniß" ist und das die Banhofsrestaurartion zum allerersten dem „Fremden- Verkehr" dient. Da die „Wirtschaft Lang", gemeint ist „Zur Haspel" am Friedhof, dem vorhandenen Bedürfnisse nicht in allem entsprechen kann, ist das neue Hotel, von Herrn Kling erbauet, nur für bessere Leute und Reisende zum Logieren eingerichtet. Er fügte auch noch Beweise des „vorhandenen Bedürfniß" an und verwies auf seinen Leumund und das Sittenzeugnis seines Tochtermanns, wohlwissend, dass es ein vierter Gastwirt gegen die drei älteren Konkurrenten nicht leicht haben würde, weil jene im „wohllöblichen Gemeinderath" ihre „Vetterle" halten.

bahnsteig

Es kam wie es kommen musste: Das Gesuch vom 16.12.1898, obwohl „ganz ergebenst" unterzeichnet, wurde vom „Großherzöglichen Bezirksamt Mosbach" abgelehnt. Heinrich Bulling gab trotzdem nicht auf. Man erkennt gut in dem noch erhaltenen Konzept, das er wegen eines neuen Gesuches aufsetzte, nicht nur seinen Zorn ob seiner Widersacher, sondern auch den Eifer, jetzt bessere Gründe anzuführen.
Das dreiseitige Gesuch vom 28. Januar 1899, in wunderbarer Schrift und noch höflicher verfasst, ist ein Meisterwerk der Argumentation:

"...ersuchen doch in Erwägung zu ziehen, daß hier noch eine weitere Wirtschaft, und zwar eine mittleren Ranges, sehr notwendig ist, namentlich durch den enormen Zuzug fremder Arbeiter". „Daß es dem ordnungsliebenden Menschen, bei der knapp bemessenen Mittagspause, nicht möglich ist, in den Ort zu gehen." „Er spielt auch auf den schlechten Weg", zumal bei schlechtem Wetter, zur Wirtschaft „Zum Zementwerk" an. Dann rechnet er, sozusagen, mit der Wirtschaft „Pension Kling" ab. Sie sei nicht für Arbeiter bestimmt, sondern „für besser situierte Leute" und wird da auch nur fremdes Bier ausgeschenkt, was keineswegs der Gemeindekasse Diedesheim zugute kommt, kostet auch das 3% 10 Lieter ganze 10 Pfennige”.

neckarelz1908

Im Konzept hatte er noch formuliert, „daß bei Herrn Kling von Wein keine Rede sei, daß er Hand- und Limburger Käse nicht führe, und diese Wirtschaft von Fleisch nichts weiß." Der „Haspelwirt Lang" wird nur mit leichter Kritik überzogen: „Der Wartsaal ist gleich angefüllt, ebenso der danebenliegende Haspel!" Mit seinem Haupttrumpf, um den „wohllöblichen Gemeinderath Diedesheim" zu überzeugen, schließt er sein Gesuch, nämlich mit der Ankündigung, daß bei ihm, „für weniger als 1 Mark und 50 Pfennig Mindestpreis, ein Logis (Übernachtung), zu bekommen ist."

Die Mäßigung bei Abfassung des Gesuches, vielleicht auch die Bestätigung der Arbeiter und Reisenden, kommend mit den letzten Zügen, die schon auf dem „Peron der Bahn" (Bahnsteig) hatten übernachten müssen, brachten den Erfolg: Für eine Wirtschaft mit dem Namen „Gasthaus zur Eisenbahn" wurde Heinrich Bulling die Konzession erteilt.
Auf der Wirtschaft waren bis 1907 vier Pächter. Dann aber übernahm der Sohn (der vierte von sechs Geschwistern), Wilhelm Bulling, die „Eisenbahn`,  nachdem er, am 15. August 1908, Lina Leutz geheiratet hatte, mit der Konzessionserteilung vom 14. September 1908. 30 Jahre lang sollte dieses Wirtsehepaar auf ihrer Wirtschaft sein, bis sie diese ihrem Sohn Erwin Bulling und seiner Ehefrau Elsabeth, geb. Großkopf, am 18. Mai 1948 übergaben.

100jahrfeier

Seit dem 29. Januar 1982 führten Ernst Bulling und eine Frau Lore, geb. Heiß, die Geschicke in dem traditionsreichen und gutbürgerlichen Hause. In dieser Zeit fielen Investitionen für aufwendige Renovierungs- und Modernisierungsmaßnahmen an, die notwendig waren, um einen Gastronomiebetrieb im der heutigen Zeit mit seinen besonderen Anforderungen an die Küche, den Keller und den Service konkurrenzfähig zu halten. Den Höhepunkt in der Geschichte unseres Hauses bildeten wohl, trotz einer Vielzahl von Schicksalen, die einwöchigen Feierlichkeiten zum 100 jährigen Bestehen des „Gasthof zur Eisenbahn", mit vielen Attraktionen im Jahre 1998. Am 1. 1. 2000 gingen wir nun in ein neues Jahrtausend. Niemand von uns weiß, was es bringen wird. Wir schauen optimistisch in die Zukunft .

Am 03.02.2016 verstarb plötzlich und unerwartet der Inhaber Ernst Bulling. Seither führt seine Ehefrau Lore Bulling den Hotelbetrieb in gewohnter Weise weiter. Der Gaststättenbetrieb bleibt geschlossen.

An dieser Stelle möchten wir uns die Zeit nehmen, um Dank zu sagen an alle Helfer, Nachbarn, Freunde, Gäste und sonstige Personen, die es unserer Familie in guten wie in schlechten Zeiten ermöglicht haben, den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten!